DIE Corona-App

“Gibt es dafür nicht auch ‘ne App?” war jahrelang immer die Frage, um alle möglichen Dienste zu nutzen. Heutzutage gibt es für fast alles eine App. Deswegen war klar, dass es auch Apps für Corona gibt. Etwa zu Erkennung von Symptomen in Verbindung mit etwa Fitnesstrackern. Aber vor allem sollen es entsprechende Apps ermöglichen, zu erkennen, ob man Kontakt zu einem Corona-Infizierten gehabt hat.

Natürlich ist das die Bundesregierung auf den Zug aufgesprungen und will eine offizielle Corona-Tracing-App herausbringen. Gerade in Deutschland ist man ja technikverliebt und in der Phantasie manche Politiker soll sich nahezu jedes Problem durch mehr oder wenig komplizierte Technik lösen lassen.Gerade mein “Freund” Christian Lindner ist wieder vorn dabei:

Keine App => Mittealter! Egal wir fortgeschritten unsere Medizin ist.

Ich kann die ganzen Nachrichten zu dem Thema nicht mehr hören, das ewige hin und her, zentrale oder dezentraler Ansatz, deutsche oder europäische Lösung, freiwillig, “freiwillig” oder Pflicht. “Frewillig” bedeutet, dass es zwar keine explizite Pflicht zur Nutzung der App gibt, es aber Zugang zu bestimmten Bereichen/Veranstaltungen nur unter Nachweis der Nutzung der App möglich sein soll. Hinzu kommt natürlich der soziale Druck aus dem Umfeld.

Auf jeden Fall steht zu Befürchten, dass die App bleiben wird. Überwachungstechniken wurden in Deutschland praktisch noch nie zurück genommen. Eher wurden sie verschärft und der Anwendungsbereich und Kreis der Zugriffsberechtigten stetig erweitert.

Auch technisch gibt es noch grundsätzliche Fragen. Es ist noch gar nicht klar, ob man die Entfernungsmessung mittels Bluetooth wirklich so hinbekommt, wie erhofft. Es sind etliche Szenarien skizziert worden, wo es Fehlalarme geben kann. Etwa wenn beide Menschen dicht zusammen sind, aber durch Barrieren (Plexiglasscheiben, Folienvorhänge, etc.) getrennt sind.

Aber ich stelle den Sinn der App noch viel früher in Frage: Welche Kontakte sollen überhaupt überwacht werden? Es geht immer um Kontakte unterhalb von 2 Meter Distanz und einer Dauer von mehr als 15 Minuten. In welcher Situation soll so etwas vorkommen? Mir fällt einzig der ÖPNV ein. Überall sonst gibt es ja Beschränkungen. Auch vor den Corona-Maßnahmen fallen mir nur wenige Beispiele ein, wo eine solche App erfolgreich wäre. Etwa im Wartebereich bei Ärzten. Aber dort wird ja mittlerweile auch auf Abstand geachtet. Und Großveranstaltungen sollten doch sowieso zur Sicherheit erst einmal ausgesetzt werden.

Und dann gibt es ja nicht nur die eine “offizielle” Corona-App, sondern bereits eine Handvoll; teilweise mit unterschiedlichen Zielsetzungen. Und dann ist ja noch die Frage, wie viele Nutzer diese App nutzen werden. Dabei geht es nicht darum, ob es verpflichtend, “freiwillig” oder tatsächlich freiwillig ist. So muss erstens das Gerätemodell unterstützt werden. So wie es sich anhörte, müssen die Messwerte für jedes Modell erst kalibriert werden. Ansonsten kann man die Entfernungsmessung vergessen. Dann muß die App nicht nur Plattform übergreifend sein; und ja es gibt mehr als Android und Apple und die App muss auch runterladbar sein; Manche benutzen aus Sicherheitsgründen die offiziellen App-Stores nicht. Außerdem muß man das Gerät mit sich führen angeschaltet haben und Bluetooth aktiviert haben. Nur wenn ALLE Punkte erfüllt sind, kann die App ihre Aufgabe erfüllen. Ich bezweifle aber, dass ein großer Teil die App nicht nutzen wird, das durch das Hin und Her im Vorfeld schon viel Vertrauen verspielt wurde. Außerdem kennt man ja die Geschichte von Deutschen Überwachungsmaßnahmen, und nichts anderes ist die App. Solche Instrumente wecken Begehrlichkeiten auf Seiten von Sicherheitsbehörden und sogenannten Polizei”gewerkschaften” und meistens folgen die Politiker dieses Rufen.

Aber es besteht ja die Hoffnung dass das ganze Projekt mit der “offiziellen” App eh nichts wird. SAP und Telekom haben sich der Sache angenommen. Also werden die Kosten wohl explodieren und der Zeitplan, wie bei anderen Großprojekten, bis in die Unendlichkeit gestreckt.