Die große Strom-Verwirrung

Der Strommarkt ist ziemlich komplex. Aber er betrifft uns alle, da wir alle für die diversen Sachen direkt oder indirekt Strom benötigen. Und er wird immer wichtiger. Schließlich soll ein Großteil der Mobilität und der Gebäudewärme in Zukunft über Strom versorgt werden.

Es gibt da nicht nur die Stromversorger, bei denen wir alle einen Stromvertrag haben. Da gibt es etwa die Erzeuger, Großabnehmer, eine Börse, einige Händler und Spekulanten, sowie jede Menge Netzbetreiber auf den verschiedensten Ebenen.

Der normale Verbraucher kriegt davon wenig mit. Vor ein paar Monaten machten Meldungen des Übertragungsnetzbetreibers TransnetBW die Runde. Dieser, in Baden-Württemberg ansässige Netzbetreiber, hat eine App namens “StromGedacht” heraus gebracht. Diese soll den normalen Endverbraucher “warnen”, wenn der Netzbetreiber angeblich zu wenig Strom zur Verfügung hat. Und so gab es tatsächlich ein paar Mal eine rote Ampel in der App, die darum bat, aktuell Strom zu sparen, zumindest in Baden-Württemberg.

Richtig erklärt wurde das allerdings nicht richtig. Auch die meisten Meldungen in den Medien haben einfach den Wortlaut der Pressemitteilung von TransnetBW übernommen. Die erklärten es so, dass es in Norddeutschland durch starken Wind “zu viel” Windstrom gäbe, der aber aufgrund mangelnder Stromnetzkapazität nicht in den Südwesten der Republik transportiert werden könne. Durch den “Stau” auf der “Stromautobahn” gäbe es in Baden-Württemberg zu wenig Strom und es müssten teure Redispatch-Maßnahmen ergriffen werden. Hier enden die meisten Beiträge. Was das genau für Maßnahmen sind, wurde nicht berichtet.

Die einfachste Frage, die sich jeder Journalist hätte stellen sollen, wäre, wo ansonsten der Strom für BW herkommt, wenn in Norddeutschland mal gerade nicht ordentlich Windstrom produziert wird. Dann kommt es doch auch zu keinem Mangel.

Das eigentliche Problem ist aber nicht die Stromproduktion oder die -verteilung, sondern der Strommarkt. Der Strompreis wird an der Leipziger Energiebörse festgelegt und zwar einheitlich für ganz Deutschland. Dabei gibt es einige Regeln. (Wenn ich hier Fehler mache, korrigiert mich bitte). Zunächst wird Ökostrom bevorzugt gehandelt. Ökostrom ist in der Regel auch der günstigste. Dann kommen die anderen Stromarten. Es wird so viel gehandelt, bis der Bedarf gedeckt ist. Im- und Export lasse ich hier mal unberücksichtigt. Die letzte Kilowattstunde die gehandelt wird, um den Verbrauch abzudecken, ist in der Regel auch die teuerste. Diese legt aber der Preis für den ganzen gehandelten Strom fest. Also bekommen auch die Erzeuger grünen Stroms diesen Preis. Deswegen ist letztes Jahr der Strompreis auch so enorm in die Höhe gegangen, weil die Gaskraftwerke oft die letzten Spitzen abdecken und der Gaspreis durch den Ukrainekrieg durch die Decke ging.

Wenn aber genug Strom von Windkraftanlagen vorhanden ist, dann ist auch der Marktpreis für den gehandelten Strom niedriger. Dann lohnt sich für fossile Kraftwerke in Süddeutschland die Produktion nicht mehr und sie fahren ihre Leistung runter, obwohl in Baden-Württemberg eigentlich mehr Strom benötigt wird.

Ein anderer Effekt ist, dass sich Speicherkraftwerke im Vorfeld schon Kontingente des günstigen Stroms gesichert haben, um die Speicher aufzufüllen. In BW kommt aber der Windstrom nicht an und die Kraftwerke sind runter gefahren. Der Netzbetreiber muss aber liefern und kauft deshalb im Ausland teuren Strom ein. Und damit er möglichst wenig kaufen muss, bittet er also die Verbraucher darum, Strom zu sparen.

Das Ganze hat also nichts damit zu tun, dass die Erneuerbaren Energien zu wenig liefern können, sondern sind vor allem auf die Marktmechanismen zurückzuführen. Ein Netzausbau könnte das Problem tatsächlich etwas entzerren. Eine andere Idee ist, den Markt in mehrere Regionen aufzuteilen. Der günstige Windstrom würde dann hier im Norden die Preise drücken, während der Süden einen höheren Preis festlegen kann.

Grundsätzlich ist die Idee die die App suggeriert ja nicht verkehrt. Strom lieber dann nutzen, wenn er im Überfluss vorhanden ist. Da gab es ja auch schon mehrfach Diskussionen, ob etwa ein E-Auto immer sofort geladen werden muss oder ob der Netzbetreiber da eingreifen und den Zeitpunkt verschieben kann.

Die meisten installierten Wallboxen (private E-Auto-Ladepunkte) sind technisch dafür ausgerüstet. Das war auch eine Voraussetzung um die Wallbox staatlich gefördert zu bekommen. Vom Netzbetreiber sind solche Regelungen technisch bisher nicht vorgesehen.

Auch bei anderen großen Verbrauchern wie Wasch- oder Spülmaschine könnte man eine externe Steuerung einbauen. Man müsste nur sagen, dass die Geräte bis zu einer bestimmten Uhrzeit fertig sein sollen, oder ob man im Zweifelsfall bereit wäre, einen höheren Strompreis zu bezahlen.

Ebenso bei dem Elektroauto. Hier könnte man noch feiner differenzieren. Also dass der Akku auf jeden Fall voll sein soll oder ob er zumindest bis zu einem bestimmten Akkustand geladen sein soll. Dafür müsste die Technik aber noch mehr vernetzt sein. Auch die Bedienung sollte einfacher sein. Wenn ich sehe, wie umständlich es ist, die programmierten Ladezeiten in meinem Auto zu ändern, dann ist da noch viel Verbesserungsbedarf.

Auf jeden Fall bringt es nichts, wenn Netzbetreiber Alle verwirren und einen nicht existierenden Strommangel vortäuschen.