Privatsphäre? Ist mir nicht egal!

“Ich habe doch nicht nichts zu verbergen” oder “Was sollen die schon mit meinen Daten anfangen?”. Ich kann diese Sätze nicht mehr hören. Es ist ein Umdenken erforderlich. Natürlich kann man sich überlegen, was Dritte mit meinen Daten machen können. Und wenn man etwas weiter denkt und berücksichtigt, daß Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammengeführt werden können, daß Daten, die nicht ausschließlich bei mir sind, nicht unter meiner Kontrolle sind und Zweifelsfall ewig vorrätig sind, deren Korrektheit und deren fehlerfreie Auswertung ich nicht sicherstellen kann und wer diese Daten jetzt und zukünftig brauchen und mißbrauchen kann, dann kann man sich absolute Horrorszenarien ausmalen.

Eigentlich muß man anders herum fragen. Warum muß ich überhaupt bestimmte Informationen preisgeben. Privatsphäre und Schutz sämtlicher privater Daten sollte Standard sein und nicht die Ausnahme.

If privacy is outlawed, only outlaws will have privacy.

Wenn Privatsphäre ungesetzlich wird, haben nur Ungesetzliche Privatsphäre.

Phil Zimmermann (Erfinder von PGP), 1991

Starke Verschlüsselung, ohne Hintertüren, muß alltäglich werden. Auch das sollte Standard werden. Man sollte sich nicht fragen, ob etwas so wichtig ist, daß man es verschlüsselt, sondern ob etwas so unwichtig ist, daß man es absichtlich nicht verschlüsselt. Wenn es Kommunikation betrifft, müßten alle Teilnehmer zustimmen, wenn diese nicht verschlüsselt wird.

Wichtig ist auch die Datensparsamkeit. Muß ich bei immer und überall alle meine Daten angeben? Was wollen die ganzen Onlinedienste immer mit meiner Telefonnummer? Ich will von denen sowieso nicht angerufen werden und die Mobilnummer wird erst recht nicht raus gegeben. Falls es ein Pflichtfeld ist, kann man zum Beispiel die Nummer von Frank geht ran angeben.

Überhaupt Mobiltelefon: Hat eigentlich irgend jemand eine Idee, welche Daten dort gesammelt und in die ganze Welt geschickt werden. Wie viele Leute installieren sich eine obskure Taschenlampen-App und erlauben ihr den Zugriff auf die Kontakte? Und warum benötigt das lustige Spiel meine Standortdaten?

Auch hier muß man sich fragen, warum sollte ich diesen Apps und damit den Softwareanbietern erlauben, meine persönlichen Daten zu speichern und zu nutzen? Es mag zwar Datenschutzerklärungen geben, die ja eh keiner liest und manchmal steht da auch sogar etwas zur Datenauswertung (“zu Marketingzwecken”), aber so richtig darauf verlassen kann man sich auch nicht. Keiner kann kontrollieren, ob die Daten tatsächlich nur für den angegebenen Zweck genutzt und später auch gelöscht werden. Außerdem besteht immer die Gefahr, daß Dritte Zugriff auf die Daten bekommen; etwa durch Hacken des Systems und Zugriff von Behördenseite.

Welche Daten sollte ich überhaupt schützen? Alle! Und das sind viele und es werden immer mehr. Gerade weil zukünftig immer mehr persönliche Daten anfallen werden, ist es wichtig, den Zugriff darauf zu beschränken. Wir erzeugen ständig Daten mit unserem Handy, es verrät nicht nur dem Mobilfunkanbieter seinen aktuellen Standort, sondern meistens auch den Softwareanbietern des Handybetriebssystems, also Google, Apple oder Microsoft.

Wenn man einen Smart-TV zu Hause hat, ist es durchaus möglich, daß dieser einen umfangreichen Bericht zur Mediennutzung, also wann welche Sender geguckt werden, welche Mediathekeninhalte oder welche lokalen Dateien angeschaut wurden, an den Hersteller schickt.

Die Liste der Datensammler wird immer größer. Demnächst kommen beispielsweise noch Stromzähler und Auto dazu. Eigentlich müßte es so sein, daß standardmäßig keine Datei an Dritte übermittelt werden dürfen. Eine Zustimmung ist explizit notwendig und jeder Mensch sollte sich in dem Moment fragen: Warum? Warum, soll Hersteller XY nun meine Daten bekommen? Was bekomme ich dafür? Wie schützt er die Daten? Ist das wirklich notwendig?

Die Technik hat die Gesellschaft überrollt, und diese nutzt die Annehmlichkeiten, die die einfache Technik mit sich bringt. Zur allgemeinen Verständnis sollte man mal alle digitalen Datensammelvorgänge in die analoge Welt übertragen. Ich soll also Listen, mit wem ich wann gesprochen habe einer zentralen Stelle schicken, damit die Polizei diese einsehen kann? Gleiches gilt für meinen Aufenthaltsort. Alle meine Gespräche können bei Bedarf belauscht werden. Der Hersteller meiner Taschenlampe will vor Benutzung erstmal mein Adressbüchlein haben; und auch später immer wieder reingucken. Dem Menschen, der mir das Skatspiel geschenkt hat, will auch meine Liste mit den Aufenthaltsorten haben.

Es ist ein Umdenken notwendig. Man muß die Hersteller kontaktieren und sagen: “Nein, ich will, meine Daten nicht herausgeben”. Es müssen nicht nur entsprechende technische und rechtliche Voraussetzungen geschaffen werden, sondern in den Köpfen und in der Gesellschaft muß eine Veränderung passieren.

Wenn ich an der Supermarktkasse sage, daß ich meine Postleitzahl nicht nennen möchte, verstehen daß die meisten Leute nicht und denken vielleicht: “Was ist das denn für ein komischer Kerl!”, “Ist ja nur die Postleitzahl”. Aber da geht es schon los. Wäre es nicht erstrebenswerter, wenn die Leute komisch gucken würden, wenn jemand freimütig in der Öffentlichkeit verrät, wo er wohnt, schließlich kann man jemand allein aufgrund einer Postleitzahl einer bestimmten Schublade zuordnen. Gehobenere Gegend oder Problemviertel?

Jeder Mensch hat ein Recht auf Privatsphäre, und das Recht sollte man verteidigen und einfordern! Und wer das macht, ist nicht gleich ein Krimineller. Kriminelle interessieren sich nicht für Rechte..