Letztens erzählte mir mal jemand, er sei der Meinung, dass die Politiker etwa die Abgeordneten im Bundestag gar nicht die Gesellschaft widerspiegeln. Dem stimmte ich voll zu. Allerdings meinte er es mehr auf die Wirtschaft bezogen. Es säßen zu wenige Unternehmer und Manager im Bundestag. Die Politiker kennen sich ja gar nicht so mit der Wirtschaft aus. Diese Meinung fand ich mehr als verwunderlich. Ich habe nämlich eher das Gefühl, dass die Politik fast nur noch die Wünsche der Wirtschaft umsetzt.
Ich bin eher der Meinung, dass viele Bevölkerungsgruppen überhaupt nicht im Parlament vertreten sind. Unter den Berufspolitikern finden sich sehr viele Beamte und Juristen. Also eher Besserverdienende. Manche von denen, wie etwa Herr Kubicki, haben neben ihrer Abgeordnetentätigkeit noch so viel Zeit, dass sie häufige Talkshowgäste sind oder ihrem eigentlichen Beruf nachgehen und schrecken dabei auch nicht davor zurück Amt und Beruf miteinander zu verknüpfen.
Wo sind im Bundestag die normalen Angestellten, die Arbeiter, Rentner und Arbeitslosen? Gerade für die Schwächeren gibt es keine Lobby. Aber die sind es die vom Staat abhängig sind. Warum darf ein Rechtsanwalt darüber entscheiden, wie viel ein ALG-II-Empfänger bekommt? Es ist total arrogant und für die Betroffenen entwürdigend, wenn sich Menschen, die sich nie um wirklich Sorgen um ihr Einkommen machen mussten, darüber debattieren, wie hoch das Existenzminimum sein muss. Andererseits entscheiden diese Politiker über ihr Einkommen selbst.
Es gab ja schon mal die Idee eines “Bürgerpraktikums”. Dabei sollen Politiker etwa eine Zeit mit dem Hartz-IV-Satz zurecht kommen oder in einer deutschen Großstadt eine bezahlbare Wohnung suchen. Ich finde die Idee gut, allerdings erscheint sie mir unpraktikabel. Aber allein das Gedankenspiel zeigt ja, wie unterschiedlich die Welten sind.
Wer hat denn entschieden, dass uns Juristen regieren sollen? Sind die wirklich die besseren Volksvertreter? Nun, sie kennen sich mit Gesetzestexten gut aus und kennen manche Fallstricke. Aber ansonsten kennen diese doch wenig vom realen Leben, auch nicht von der Wirtschaft. Aber dafür gibt es ja Lobbyverbände, die mit ihren Beratern die Politiker informieren und auf Kurs bringen. Im Deutschlandfunk höre ich regelmäßig die Sendung “Computer und Kommunikation”. Dort gibt auch viele O-Töne von PR-Mitarbeitern deutscher Technikfirmen. Und es ist erschreckend, was die da manchmal vom Stapel lassen; sind halt PR-Leute. Da denk ich mir immer, dass die Lobbyisten den Politikern wahrscheinlich genau den gleichen Mist erzählen. Letztens gab es so eine SPD-Runde, bei der ich mich, ohne Ton, übers Internet immer mal wieder reinschaltet habe. Da ging es um die digitale Zukunft Deutschlands. Da waren vor allem eine Menge Wirtschaftsvertreter anwesend, ob nun von internationalen Unternehmen wie Google oder von deutschen Firmen wie SAP. Es gab da geschätzt 20 Experten, allerdings nur eine handvoll von Datenschutz- oder Verbraucherschutzorganisationen. Wenn denn vier Datenschützer gegen 15 Wirtschaftsvertreter sprechen, ist schon klar, welche Meinung dominiert.
Ich bin auf jeden Fall dafür, dass mehr “normale” Bürger in die Politik gehen und dass der Bundestag wieder eine Volksvertretung wird. Allerdings dürfte das ein schwieriges Unterfangen sein. Man muss zwar vom Arbeitgeber für eine Abgeordnetentätigkeit freigestellt werden, allerdings ist schon im Vorfeld etwa für parteiinterne Kandidatur und später für den Wahlkampf ein erheblicher Zeitaufwand notwendig, den sich nur wenige leisten können.
Auch in anderen Systemen haben wir das Problem, dass Leute in Führungspositionen wenig von dem verstehen was die “Geführten” machen. Das ist etwa in der Wirtschaft üblich und auch bei Gewerkschaften.