Verdächtigt durch Funkzellenabfrage

Nahezu jeder von uns trägt ein Handy bei sich und fast alle sind eingeschaltet. Ein eingeschaltetes Handy nimmt ständig Kontakt zu den umliegenden Funkmasten auf. Anhand der Signalstärke kann man den Abstand von den einzelnen Funkmasten recht gut schätzen. Anhand der Entfernungen kann man daraus ziemlich gut den genauen Aufenthaltsort ermitteln. Diese Daten werden unentwegt ermittelt und ist eine technische Voraussetzung für das Mobilnetz. Somit läßt es sich bis auf wenige Meter nachvollziehen wo sich wann welches Handy, und somit der Nutzer, befindet.

Diese Daten werden auch gespeichert und werden gerne von den Ermittlungsbehörden von den Mobilfunkanbietern angefordert. Bei schweren Straftaten werden dann Daten abgefragt, über alle Personen/Mobiltelefone die sich zum Tatzeitpunkt in der Umgebung des Tatortes befanden. Dabei werden in erster Linie Daten Unschuldiger erfasst. Welches Ausmaß die Abfragen annehmen, hat die Schleswig-Holsteinische Piratenfraktion durch ein kleine Anfrage herausgefunden. Danach wurden allein in Schleswig-Holstein im Jahre 2016 schätzungsweise 13 Millionen Datensätze an die Behörden übermittelt. So geriet jeder Schleswig-Holsteiner durchschnittlich 4 mal ins Visier der Polizei.

Der Journalist Wolfram Hammer hat einen Artikel (leider hinter einer Paywall) geschrieben in dem er seine Erlebnisse schildert, wie er von der Polizei zur Aussage gedrängt wurde.

Es geht um einen Mordfall, der schon einige Monate her ist. Der Journalist befand zufällig zur Tatzeit in einem Lokal in der “Nähe” (700 Meter vom Tatort). Er erhielt eine Anruf auf seiner Mobilbox, er möge sich doch dringend bei der Kripo melden. Er wurde dann genötigt noch am gleichen Tag bei der Kripo zu erscheinen und eine Aussage zu machen. Rein rechtlich sind solche Forderungen der Polizei aber nur Bitten. Der Rechtsanwalt Udo Vetter schreibt in seinem Lawblog regelmäßig darüber, daß die Polizei Zeugen oder Beschuldige oft nicht über ihre Rechte informiert. Nur einer Ladung der Staatsanwaltschaft muß man nachkommen, alles andere seien Einladungen zu freiwilligen Gesprächen.

Bei der Kripo erfährt Hammer er sei die Spur 4152. Der Beamte sei “ein wenig enttäuscht”, da er nicht wie die Person auf Phantombild aussehe. Dieser Aussage nach ist Hammer wohl nicht nur als Zeuge einbestellt worden, sondern als Verdächtiger. Obwohl der Journalist keine Hinweise geben kann, wird er 15 Minuten befragt.

Wie viele Menschen wurden denn so von der Polizei so “eingeladen”; bei 4152 Spuren? Kann so eine Ermittlungsmethode wirklich sinnvoll sein, wenn Tausende Unschuldige ihre Unschuld beweisen müssen? Das ist ähnlich wie bei den Massengentests. Auch da müssen Tausende aktiv, durch Abgabe einer Speichelprobe, nachweisen, daß sie unschuldig sind. Wer da nicht mitspielt, macht sich noch verdächtiger, obwohl eigentlich kein begründeter Verdacht vorliegt.

Zu prüfen ist stets ob man Zeuge oder Verdächtiger ist. Die Rechtslage ist hier unterschiedlich. Auch wenn man unschuldig ist, aber verdächtig wird, sollte man sich lieber Rat bei einem Anwalt suchen. Auch die Tatsache, daß man sich rechtlich beraten läßt, darf nicht zu seinem Nachteil ausgelegt werden.

Auf jeden Fall ist das mal wieder ein Beispiel, daß man häufiger sein Mobiltelefon abschalten oder in den Flugmodus versetzen sollte.


Nachtrag 29.03.2017

Wenn Standortdaten abgefragt werden, sollten die Betroffenen im Nachhinein darüber informiert werden. Dies geschieht in der Regel aber nicht, bei den Betroffenen bestünde angeblich kein Interesse. Also ich hätte schon Interesse daran und ich finde es auch wichtig, alle zu informieren. So wird den Bürgern mal vor Augen gehalten, wie umfangreich diese Maßnahmen sind. Dadurch wir sicherlich dem Einen oder Anderen ein Licht aufgehen und sich zukünftig mehr für Datenschutz interessieren.