Ich lese nicht besonders viele Bücher. Früher als Kind habe ich sehr viel gelesen. Das hat sich dann geändert, als in der Schule Pflichtlektüre gab. DAS waren Werke, die ich als Jugendlicher nicht unbedingt lesen wollte. Nicht nur inhaltlich waren die Bücher uninteressant, sie waren meist auch so geschrieben, dass ich nur langsam voran kam. So konnte ich gar nicht mehr andere Bücher lesen. Dieser Umstand hat man Leseverhalten nachhaltig gestört und zwischendurch komplett zum Erliegen gebracht. Da sollte man echt noch mal an den Zielen und Lehrplänen feilen.
Aber ich sehe zu, dass ich mir immer mal wieder zur Hand nehme. Meistens leichte Kost. 95% der Bücher auf dem Markt fallen für mich gleich weg, weil ich keine Krimis mag (auch nicht als Film). Ich finde dieses Schema “Polizei jagt Mörder” so was von einfallslos. Kein Wunder dass sich immer wieder Leute bemüßigt fühlen ein Buch zu schreiben. “Polizei jagt Mörder” ist halt einfach und mit einem regionalen Handlungsort schafft man es dann auch in die Lokalpresse.
Ich habe jetzt “Der Astronaut” von Andy Weir gelesen und empfand es als eines der besten Bücher, die ich seit langem gelesen habe. Warum das so ist, möchte ich hier niederschreiben. Der Text wird viele Spoiler enthalten. Wer das Buch also noch lesen möchte, dem sei empfohlen, hier nicht weiter zu lesen.
SPOILERWARNUNG
Im englischen Original trägt es den Titel “Project Hail Mary”. Hail Mary ist im Football ein Spielzug den man meist nur am Ende eines Spieles macht, der aber eine geringe Chance auf Erfolg hat. Das beschreibt auch schon die Handlung ein Weltraummission, mit geringen Erfolgsaussichten, die nichts Geringeres erreichen soll, als die Menschheit zu retten.
Davon weiß der Protagonist Ryland Grace aber anfangs nichts. Er wacht auf und kann sich an nichts erinnern. Er liegt auf einer Liege in einer Art Krankenstation, wo sich Roboterarme um ihn kümmern. Es dauert etwas bis er zu sich kommt und seine Umgebung erkunden kann. Er stellt fest dass er sich nicht auf der Erde, sondern in einem Raumschiff befindet und der letzte Überlebende der dreiköpfigen Crew ist. Besonders interessant fand ich, wie er einfache Experimente durchführte. Dazu benutzte er ein Maßband und eine Stoppuhr. Damit kann man die fundamentalen physikalischen Größen Zeit und Länge messen und daraus, andere Werte ableiten.
Langsam kommen die ersten Erinnerungen zurück und es stellt heraus, dass Grace eigentlich Naturkundelehrer ist und früher zu dem Thema außerirdisches Leben geforscht hat.
Diese Erinnerungen kommen chronologisch zurück, was nicht besonders realistisch ist, aber die für den Verlauf der Geschichte wichtig ist. Ich will jetzt auch keine komplette Inhaltsangabe liefern, wer sich dafür interessiert, dem lege ich noch einmal das Buch an Herzen.
Er befindet sich nun auf einer Rettungsmission zu dem Sternensystem Tau Ceti. Alle Sonnen in der Umgebung, auch unsere eigene verdunkeln sich zunehmend durch eine Art von außerirdischen Mikroben, nur Tau Ceti nicht. Die Mission soll herausfinden warum und ob dort eine Lösung findet, die Erde zu retten.
Und diese Rettungsmission ist eine globale. Alle Länder haben zusammen getan, alle Mittel bereit gestellt, um das zu ermöglichen. Und diese Vorstellung finde ich äußerst positiv. Natürlich ist es eher unrealistisch, wie der Umgang mit der Klimakatastrophe oder der Corona-Pandemie zeigt. Aber es hat so einen Apollo-Moment, wie bei der Mondlandung oder dem Apollo-13-Unglück, ist die Weltöffentlichkeit auf ein Thema gelenkt, und Alle hoffen das es gut ausgeht und freuen sich am Ende, egal welcher Nation man angehört.
Und natürlich spielen die US-Amerikaner bei der Rettung eine wichtige Rolle. Unser Astronaut ist ja auch Amerikaner. Aber es ist trotzdem ein internationales Projekt und es sind nicht nur die Amerikaner, die die Welt retten.
Und dann gibt da noch den ersten Kontakt zu intelligentem außerirdischem Leben. Völlig ohne US-Soldaten, die das Schlimmste vermuten, sondern ganz vorsichtig mit Klopfzeichen. Der Außerirdische basiert auch auf der gleichen Gen-Basis wie das irdische Leben. Es wird im Buch nur angedeutet, dass das Leben von irgendwo her in der ganzen Galaxis verbreitet. Aber äußerlich und auch vom Kreislauf unterscheiden sich beide Lebensformen deutlich.
Beide lernen sich kennen und verstehen. Als Anfangsbasis dient die Mathematik, auf der sie aufbauen und nach und nach die jeweilige Sprache lernen. Die außerirdische Lebensform, die als Eridaner bezeichnet werden, fehlt zwar noch einiges an naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, aber ich finde, sie werden etwa mit dem Menschen gleichwertig dargestellt; nicht wie sonst als “Krone der Schöpfung” oder als hoffnungslos unterlegene Spezies. Im Buch wird das so begründet, dass Zivilisationen, die noch nicht so weit wären, auch keine entsprechende Weltraummission starten könnten und viel weiter entwickelte sicher andere Möglichkeiten hätten, die Sonnenverdunkelung auf zu halten.
Auf jeden Fall finde ich es einfach toll, wie die beiden Wesen miteinander kommunizieren, von einander lernen, sich gegenseitig helfen und sich anfreunden. DAS hinterlässt bei mir ein äußerst positives Gefühl.
Es wurde im Buch schon im Vorfeld angesprochen, dass es Jahrzehnte dauert, bis die Erkenntnisse aus der Mission auf der Erde eintreffen und dass sich die Situation auf der Erde zwischenzeitlich verschlimmern wird und man nicht weiß wie sich die Zivilisation zwischenzeitlich entwickeln wird. Bereits vor dem Start der Rakete hat wurden typische Verzweiflungstaten unternehmen; so wurden z.B. einige antarktische Gletscher mit Atombomben geschmolzen, um das Klima zu verändern. Das erinnert mich stark an die Leute, die meinen man könne den Klimawandel einfach aufhalten, wenn man nur bestimmte Substanzen in die Atmosphäre oder die Meere einbringt und somit bestimmte Wirkungen zu erzeugen, ohne die Folge- oder Nebenwirkungen zu kennen.
Aber das Thema Entwicklung der Erdzivilsation hat der Autor damit umschifft, dass Grace am Ende mit seinen Freund zu dem Planeten 40 Eridani fliegt. Durch Teleskopbeobachtungen konnte er aber feststellen, dass die Verdunklung der Sonne rückgängig gemacht wurde.
Auch wenn das Buch nicht bis ins letzte Detail logisch und wissenschaftlich korrekt ist, so ist es doch aber viel näher an “Science” als andere Science-Fiktion-Bücher, die man einfach nicht genießen kann, weil man zu oft sein naturwissenschaftliches Wissen ausblenden muss.
Aber vor allem hat das Buch bei mir wirklich ein positives Gefühl hinterlassen, wie schon geschrieben zum einen durch die Vorstellung, die gesamte Menschheit kann an einem Strang ziehen, um ein globales Problem zu lösen und zum Anderen dieses vorsichtige, friedliche und respektvolle Kennenlernen einer anderen intelligenten Spezies, die in einer Freundschaft endet. Gerade in dieser Corona-Zeit ein positiver Lichtblick.